Bei der Frage, ob Mängel an einem Gewerk vorliegen, spielen die allgemein anerkannten Regeln der Technik eine gewichtige Rolle.
Allerdings kann man sich nicht darauf verlassen, dass dann, wenn keine förmlich veröffentlichte Regelwerke vorliegen, nicht trotzdem Vorschriften einzuhalten sind.
Umgekehrt stellt auch nicht jeder Verstoß gegen eine anerkannte Regel der Technik einen Mangel dar.
Der BGH hatte beispielsweise in seinem Urteil vom 21.11.2013 darüber zu entscheiden, ob eine Hof- und Zugangsfläche ein Gefälle aufweisen müsse, auch wenn ein solches Gefälle in der Baubeschreibung nicht vorgesehen ist und sich im Laufe des Prozesses herausstellt, dass ein solches nicht zwingend erforderlich ist.
Das Berufungsgericht, das OLG Frankfurt, hatte insoweit einen Sachverständigen mit der Beantwortung dieser Frage beauftragt. Der Sachverständige hat festgestellt, dass es keine normgemäßen Angaben darüber gebe, ob eine solche Fläche (hier mit Epoxitharz) ein Gefälle aufweisen müsse und auch nicht zwingend erforderlich sei. Aufgrund dieser Aussagen hat das OLG die Auffassung vertreten, dass eine Ausbildung ohne Gefälle mangelfrei sei.
Dem hat der BGH ausdrücklich widersprochen. Ergibt sich aus den übrigen - nicht im Vertrag schriftlich festgelegten - Umständen, dass ein gewisser Qualitäts- und Komfortstandard geschuldet ist, muß dieser auch eingehalten werden. Ein Mangel liege in diesem Fall auch dann vor, wenn ein Gefälle nicht zwingend erforderlich ist.
Gleichzeitig hat der BGH darauf aufmerksam gemacht, dass ein Sachverständiger nicht nur nach schriftlichen Regelwerken suchen muß. Es gebe genauso ungeschriebene anerkannte Regeln der Technik, mit denen sich der Sachverständige gegebenenfalls auseinandersetzen muß. Solche können sich beispielsweise allein anhand von Erfahrungen von Handwerkern ergeben, da in vielen Handwerksbereichen - beispielsweise Zimmerhandwerk - solche Regeln nicht schriftlich festgelegt sind.
Andererseits ist es jedoch auch so, dass nicht jeder Verstoß gegen eine anerkannte Regel der Technik gleichzeitig einen Mangel darstellt. So hat beispielsweise das OLG Koblenz mit Urteil vom 16.01.2013 entschieden, dass ein Verstoß gegen diese Regeln unerheblich ist, wenn damit keine nachweisbaren Risiken verbunden sind.
Fazit: Es lohnt sich, bei Angaben insbesondere der Sachverständigen bezüglich der anerkannten Regeln der Technik im einzelnen nachzuhaken und in jedem Einzelfall abzuwägen, ob solche Regeln vorliegen und ob der Verstoß im Endergebnis tatsächlich gleichbedeutend mit einem Mangel ist.