Kann die Bank immer die Vorlage eines Erbscheins verlangen?
Banken machen im Erbfall die Auszahlung von Guthaben bzw. den Zugang zu Depots häufig von der Vorlage eines Erbscheins abhängig.
Der Grund hierfür findet sich in § 2365 BGB. Sofern der Erbe einen Erbschein vorlegt, kann die Bank mit befreiender Wirkung an denjenigen leisten, der im Erbschein benannt wird, selbst wenn sich später herausstellt (z.B. durch ein nachträglich gefundenes Testament), dass derjenige der im Erbschein steht und an den ausgezahlt wurde, tatsächlich nicht Erbe geworden ist.
Die Forderung nach einem Erbschein stellt den Erben des Öfteren vor zwei Probleme. Zum Einen ist zur Erlangung des Erbscheins zunächst das Nachlassverfahren durchzuführen, was einige Monate dauern kann. Oft benötigen die Erben jedoch einen unverzüglichen und schnellen Zugang zu den Konten und Depots um diversen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können oder auch Zwecks Verkauf von Wertpapieren um Kursverluste zu vermeiden.
Des Weiteren fallen bei Beantragung eines Erbscheins Gebühren beim Nachlassgericht an.
Im Falle einer Sparkasse hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 05.04.2016, Az.: XI ZR 440/15 entschieden, dass der Erbe sein Erbrecht gegenüber einer Bank auch durch Vorlage einer beglaubigten Abschrift eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen kann, wenn das Testament die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist.
Der BGH hat festgestellt, dass Bank und Erblasser (nach dessen Tod die Erben) grundsätzlich durch einen schuldrechtlichen Girovertrag verbunden wären. Gegen die aus diesem Vertragsverhältnis resultierende Leistungstreuepflicht würde das Verlangen auf Vorlage eines Erbscheins verstoßen, sofern einerseits die beglaubigte Abschrift des Eröffnungsprotokolls des Nachlassgerichts vorgelegt wird und sich aus dem handschriftlichen Testament das Erbrecht eindeutig ergibt, ferner keine begründeten konkreten Zweifel an der Richtigkeit der durch eigenhändiges Testament belegten Erbfolge geltend gemacht werden.
Im Einzelfall kann es allenfalls zum Streit kommen, inwiefern das handschriftliche Testament eindeutig die Erben aus- bzw. nachweist.
Im o.g. Fall entschied der BGH, dass die Sparkasse zu Unrecht einen Erbschein verlangt hatte. Sie wurde verurteilt, den Erben die Kosten für die Beantragung des Erbscheins in Höhe von 1.770,00 € zu erstatten.
Grundsätzlich sollte den Banken zunächst die beglaubigte Abschrift des Testamentes und die beglaubigten Abschrift des Eröffnungsprotokolls vorgelegt werden. Ist die Erbenstellung eindeutig und werden keine konkreten und berechtigten Zweifel an der Gültigkeit geltend gemacht, hat die Bank für den hieraus entstehenden Schaden einzustehen, wenn dennoch ein Erbschein verlangt wird. In diesem Fall sollte anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden.