Die Voraussetzungen für den Erhalt des Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) liegen nach dem Gesetz nur dann vor, wenn eine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung gegeben ist, welche für sich alleine einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 begründet.
Das Merkzeichen aG setzt voraus, dass sich ein schwerbehinderter Mensch wegen der Schwere der Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann.
In zwei Entscheidungen hat sich das Bundessozialgericht (BSG) nunmehr zu diesem Themenkreis geäußert.
So hat das BSG im ersten Fall (Az.: B 9 SB 8/21 R) entschieden, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG vorliegen, wenn der Kläger wegen einer globalen Entwicklungsstörung nur in für ihn vertrauten Situationen im schulischen oder häuslichen Bereich frei gehen kann.
In unbekannter Umgebung war dies für den Kläger nicht möglich.
Das BSG hat dem Kläger in diesem Fall das Merkzeichen aG zugesprochen, da nach Ansicht des BSG nur auf diese Weise nach dem Sinn und Zweck des Schwerbehindertenrechts die gleichberechtigte Teilhabe von schwerbehinderten Menschen erreicht werden kann.
Insbesondere sei gerade das Aufsuchen veränderlicher und vollkommen unbekannter Einrichtungen des gesellschaftlichen sozialen Lebens erfasst.
Dass der Kläger im vorbenannten Fall in der Lage war, sich in vertrauten Situationen, wie zum Beispiel zu Hause und in der Schule, freizubewegen, sah das BSG für nicht entscheidend an.
In einer weiteren Entscheidung (Az.: B 9 SB 1/22 R) ging es um einen Kläger, welcher an einer fortschreitenden Muskelschwunderkrankung mit Verlust von Gang- und Standstabilität litt.
Dem Kläger war es zwar möglich auf dem Krankenhausflur zu gehen, eine freie Gehfähigkeit ohne Selbstverletzungsgefahr im öffentlichen Verkehrsraum war jedoch nicht mehr gegeben.
Zwar hat das Bundessozialgericht dieses Verfahren an das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen, da der Grad der Behinderung von 80 vom (LSG) nicht geklärt war, jedoch hat das BSG im Hinblick auf die Erkrankung des Klägers die Voraussetzung für das Merkzeichen aG als erfüllt angesehen.
In beiden Fällen hat das Bundessozialgericht als Grundsatz herausgearbeitet, dass es für die Prüfung der Gehfähigkeit auf den öffentlichen Verkehrsraum und nicht auf eine geschützte und vertraute Umgebung, wie zum Beispiel zu Hause, in der Schule oder wie im zweiten Fall im Krankenhausflur, ankommt.
Sollte im Zusammenhang mit einem gestellten Antrag auf Erhalt des Merkzeichens aG die zuständige Behörde den Antrag mit der Begründung zurückweisen, dass die Gehfähigkeit des Antragsstellers zu Hause, demnach im privaten Bereich und im vertrauten Bereich, gegeben ist, sollte geprüft werden, ob gegen diese Entscheidung Widerspruch eingelegt bzw. Klage erhoben werden sollte.
Insoweit empfiehlt es sich anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.