Lochmüller & Kollegen
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Nachtdienstuntauglichkeit gleich Arbeitsunfähigkeit?

In vielen Berufen gehört Schichttätigkeit zum Alltag, insbesondere auch die Leistung von Nachtschichten.

Oftmals ist der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage Nachtschicht zu leisten, worauf regelmäßig ein Streit darüber entbrennt, ob ein Anspruch auf Beschäftigung außerhalb der Nachschichten besteht und inwieweit aufgrund der Nachtdienstuntauglichkeit eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt.

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil vom 09.04.2014, Az.: 10 AZR 637/13 bezüglich einer im Krankenhaus in Früh-, Spät- und Nachtschicht eingesetzten Krankenschwester geurteilt, dass diese aufgrund Nachdienstuntauglichkeit nicht arbeitsunfähig krank ist. Vielmehr sei ein Anspruch auf Beschäftigung ohne Einteilung in Nachtschichten gegeben.

Begründet wurde dies damit, dass sich zunächst die Tatsache, ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder nicht, danach beurteilt, welche Tätigkeit durch den Arbeitnehmer arbeitsvertraglich geschuldet ist und ob diese Tätigkeit aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr ausgeübt werden kann oder nicht mehr ausgeübt werden sollte, weil die Heilung der Krankheit nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert werden würde.

Das BAG ist davon ausgegangen, dass die Krankenschwester, welche nicht mehr in Nachschicht arbeiten kann, trotzdem ihre Tätigkeit als Krankenschwester (wenn auch nur noch im Tagdienst) vollständig erbringen kann. Die Nachtschichtunfähigkeit beträfe lediglich die konkrete zeitliche Festlegung der Leistungserbringung, welche dem Arbeitgeber grundsätzlich nach § 106 GewO im Rahmen seines Weisungsrechts überlassen ist.

Der Arbeitgeber muss daher bei einem nachtschichtuntauglichen Arbeitnehmer die Festlegung der Arbeitszeit, d.h. die Zuweisung der Schichten gem. § 106 Satz 1 GewO i.V.m. § 315 BGB nach billigem Ermessen vornehmen. Er hat hierfür die wesentlichen Umstände des Falles abzuwägen und die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen.

Grundsätzlich hat das Bundesarbeitsgericht geurteilt, dass die Besonderheiten des Schichtdienstes an sich (vorliegend Früh-, Spät- und Nachschicht) kein unüberwindbares, tatsächliches Hindernis insoweit darstellen, den Arbeitnehmer nicht zu Nachdiensten einzuteilen. Der Arbeitgeber muss  - über die grundsätzliche Organisation der Arbeitserbringung in Schichten - wichtige Gründe vortragen, weshalb es ihm unmöglich ist, den Arbeitnehmer nur außerhalb von Nachtdiensten einzusetzen.

Sollte der Arbeitgeber den zulässigerweise geltend gemachten Anspruch auf Einsatz außerhalb der Nachtschicht zurückweisen und mitteilen, dass seiner Ansicht nach Arbeitsunfähigkeit besteht, kommt er in Annahmeverzug, mit der Folge, dass trotz nicht geleisteter Arbeit das Arbeitsentgelt zu zahlen ist.

Nachdem oftmals in solchen Fällen fehlerhafterweise nach der sechswöchigen Lohnvorzahlung Krankengeld bezogen wird und dies für die Arbeitnehmer zu einer erheblichen Vermögenseinbuße führt, ist die Geltendmachung der ordnungsmäßen Zuweisung der Arbeit (außerhalb der Nachtschichten) ggf. unter anwaltlicher oder gerichtlicher Zuhilfenahme anzuraten. Jedenfalls ist es ratsam im Vorfeld eine Prüfung durch einen arbeitsrechtlich versierten Anwalt vornehmen zu lassen.